MICHAEL LÖSEL · Wort, Spiel und Musik
Responsives Bild

Pegnitz Zeitung 16. Dezember 2016

Michael Lösel und Susanne Rudloff im PZ-Kulturraum – Poetische Zwiegespräche

Michael Lösel und Susanne Rudloff sind Meister des poetischen Dialogs. | Foto: A. Müller

LAUF — Lyrik bleibt in unserer heutigen Zeit meist stumm: Gedichte werden still gelesen oder angestrengt in der Schule analysiert. Dass die Verse einen eigenen Rhythmus haben, der hör- und spürbar ist, geht dabei meist unter. Ganz anders bei Michael Lösel und Susanne Rudloff, die am Sonntagabend als Duo „Wort-Bruch“ zu Gast im PZ-Kulturraum in Lauf waren: Zu den Klängen einer Akustikgitarre entfalteten sich ihre poetischen Texte wie Musik.

Michael Lösel und Susanne Rudloff vertrauen auf der Bühne ganz auf die Wirkung ihrer Worte. Die Akustikgitarre, die Michael Lösel kunstvoll zu spielen versteht, unterstützt die Stimmung der einzelnen Texte, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Die Texte der beiden Poeten sind lose thematisch geordnet: Sie beginnen mit der Geburt und dem Geheimnis von Nähe, die immer weniger zu verstehen ist, je mehr sie wächst. Auch die Natur spielt in mehreren Texten eine Rolle, etwa wenn Susanne Rudloff ihren „Grasgeliebten“ mit süßen Worten überreden will, sich zu ihr zu legen.

Einige Texte widmen sich speziell dem Herbst: Ein Gedicht von Michael Lösel zum Totensonntag dreht sich um einen Besuch am Grab des Vaters. Es zeigt eindringlich, wie die Gedanken an den Tod untrennbar mit dem Auskosten des eigenen Lebens verbunden ist. Die dazu düster treibende Gitarre löst diesen scheinbaren Gegensatz in der Musik auf.

Den größten zusammenhängenden Themenblock bilden Texte zum Meer. Susanne Rudloff trägt, zwischen Sprech- und Singstimme changierend, eine anklagende Beschreibung einer Liebesreise zum Meer vor, die zumindest eine werden sollte, jedoch vom ersten Moment an zum Scheitern verurteilt war.

Sinnbild der Bedürfnisse

In einem anderen Gedicht ist das Meer Sinnbild für die unterschiedlichen Bedürfnisse eines Paares: Den einen Partner zieht es zum Meer, der andere fürchtet sich vor der Weite.

Der Name des Duos „Wort-Bruch“ soll widerspiegeln, wie die beiden mit ihren Worten umgehen: „Wir brechen unsere eigenen Worte immer wieder, häufig mithilfe der Musik“, erklärt Susanne Rudloff auf der Bühne. Michael Lösel ergänzt: „Erstmal muss man die Texte sprechen, das ist das Wichtigste, und dann zeigt sich, wie man sie spricht.“

So locken die beiden versteckte Bedeutungen aus ihren Texten hervor und machen sie hörbar. Die meisten Gedichte schreiben sie getrennt – „und es ist immer wieder erstaunlich, wie schön es dann passt“, meint Rudloff.

Michael Lösel und Susanne Rudloff standen nicht das erste Mal gemeinsam auf der Bühne: Das verriet schon ihre Art, vor Publikum miteinander umzugehen. Halbsätze und dahingeworfene Metaphern reichten aus, damit der eine den Gedanken zu Ende brachte, den der andere soeben angefangen hatte.

So entstanden Zwischengespräche, bei denen nicht klar war, wie viel davon sich spontan entwickelte und wie viel geplant war. In diese vertraute Atmosphäre einzutauchen, stellte den Zuhörer vor Herausforderungen: Denn die losen Ketten von Assoziationen ließen die Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ meist offen. In einer „Weltpremiere“ trugen die beiden Poeten neben ihren eigenen auch drei eingesandte Texte vor, deren Autoren allesamt im Publikum saßen und so ihr Gedicht live vertont hören konnten.

„Wahrscheinlich würde es keiner merken, wenn wir nicht dazusagen würden, dass die Texte nicht von uns sind“, lobte Susanne Rudloff die Qualität der Einsendungen.

Sie werden außerdem in der nächsten Ausgabe von „Poesie an der Pegnitz“, für deren Betreuung Michael Lösel zuständig ist, abgedruckt.

(N-Land, Alisa Müller)





Fürther Nachrichten 24.9.13 >>>

Grasgeliebter mit Distelhaar

Kofferfabrik: Duo Wort|bruch beschwor lyrisch Melancholie

Auf einer intimen Reise: Slam-Poetin Susanne Rudloff und Sprech-Chansonnier Michael Lösel gaben als Duo „Wortbruch“ einen Abend mit melancholisch-nachdenklichem Text-Expedidionen in der Kofferfabrik.

Der Barmann schaltet die Musik ab, geht langsam von einem der leeren Tische zum anderen und bläst die Kerzen aus. Diese leicht melancholisch wirkende Szene steht nicht etwa am Ende des Auftritts von „Wortbruch“, sondern am Anfang. Denn der Publikumsandrang ist leider nicht so groß wie erwartet. Die Künstler lassen sich dadurch die Stimmung nicht vermiesen:

„Vermutlich ist unser Publikum gerade auf dem Opernball, das ist ja die gleiche Zielgruppe“, witzelt Gitarrist Michael Lösel, und Susanne Rudloff fügt hinzu: „Ich erinnere mich an einen frühen Poetry-Slam, da standen acht Dichter auf der Bühne und vier Menschen im Publikum. Und heute kommen über 150 Leute zu den Slams. Das darf man also nicht persönlich nehmen.“

Text-Expedition

Beide sind erfahrene Vortragskünstler, die in der Reihe „Mus[e]en-Lesung“ bereits im Industriemuseum Lauf und im Nürnberger Dokuzentrum gemeinsam auf der Bühne standen. Nun befreien sie sich aus den historischen Kontexten dieser Auftritte und machen sich auf ihre ganz eigene Reise. Eine Text-Expedition nennen sie ihr Programm, das von verlorenen Seelen und Schiffbrüchigen auf großer Fahrt über die Untiefen des Lebens erzählt.

Viele kleine Miniaturen sind es, die sich da aneinander reihen. Mal heiter, meist melancholisch, melodisch gesprochen zur akustischen Gitarre. Es beginnt häufig mit ein paar sanft gezupften Noten, die auch ein Lied von Hannes Wader einleiten könnten – bis Lösel mit seiner warmen Stimme anhebt, die besonders gut zu Erzählungen von Abenden in Kneipen passt, die man sich nostalgisch verraucht vorstellen darf: Der Mann am Tresen, der der schönen Dame nebenan einen Drink spendiert und hofft, dass im Gegenzug seine Hand noch eine Weile auf ihrem Knie liegen bleiben darf. Susanne Rudloff kontert das mit ihrer eigenen Sicht: „Wenn Damen ausgehen, wird ein Tisch reserviert – weil sie das einsame Tresenstehen nicht so interessiert“.

Die Einsamkeit, die misslungene Konversation, das nicht Verstehen, das nicht Verlangen sind Motive, die in dem Programm immer wiederkehren. „Es endet stets im Desaster“, meint Lösel, die Füße auf dem schwarzen Aktenkoffer, um die Distanz vom Barhocker zum Fußboden zu überwinden. Mal kommt das etwas verkopft daher („Mein Grasgeliebter mit dem Distelhaar“), manchmal sehr konkret: „Bin nicht gefangen, nur versteckt, unter einem Berg, von wärmenden Decken.“

Am stärksten sind die bei den immer dann, wenn sie sich gegenseitig die Bälle zuspielen – oder sie vielmehr kunstvoll aneinander vorbei werfen können, wie im Nicht-Dialog: „Warst Du schon mal im Senegal?“ Dazwischen zündet der Barmann die Kerzen auf den Tischen wieder an. Ein bisschen Hoffnung darf sein.

PETER ROMIR